Russische Impressionen. Die Theorie des Antichristen

Vortrag und Lesung zu Walentin Pawlowitsch Swenzitzki (1881-1931) durch Alexander Nitzberg.

Dienstag, 26.11.2019, 19:00 Uhr

Café Korb - ART LOUNGE

(Untergeschoß)

1010 Wien

Brandstätte 9

 

Die Theorie des Antichristen
In der russischen Volksreligiosität wird zwischen dem Heiligen Nikolaus und dem Heiligen Kassian unterschieden. Kassian, so heißt es, verehre die Form und die Sauberkeit der äußeren Erscheinung, während Nikolaus keine Angst davor habe, sich um der geistigen Welt willen auch mal die Hände schmutzig zu machen. In diesem Sinne verkörpert der Schriftsteller, Theologe und Priester Walentin Swenzitzki (1881-1931) zweifellos die Richtung des Heiligen Nikolaus. Zeit seines Lebens trat er als glühender Verfechter der Kirche auf, manchmal mit einer Leidenschaft, die der Kirche selbst als zu heiß erschien. Einige seiner Werke, wie etwa die Novelle Die zweite Kreuzigung, in der er, ganz in der Tradition des Großinquisitor-Legende, eindrucksvoll eine erneute Hinrichtung Jesu durch Staat und Kirche darstellt, oder das Drama Pastor Relling, wo er das Schicksal einen sadistischen und von Perversionen zerrütteten Priesters auf die Bühne bringt, waren noch vor der Revolution verboten. In seiner Roman-Beichte Der Antichristbegibt er sich auf den Spuren Dostojewskis in die Abgründe der menschlichen Seele und beschreibt auf höchst dramatische Weise die teuflische Geburt in seiner eigenen Person ... Nur durch die Hölle des äußersten Zweifels, so Swenzitzki, läßt sich der wahre Glaube gewinnen. Mit seinen kühnen und kompromißlosen Worten beeinflußte er Philosophen, wie Nikolaj Berdjajew und Iwan Iljin.